CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
von Thomas Hintze
Aus seiner umfangreichen CD-Sammlung
fischt der Jazz-Kenner und -Liebhaber
Thomas Hintze für die STEREO-Leser jeden
Monat die schönsten Schätze. Im Folgenden
widmet er sich den Standards.
Meine Jazz Standards
„W hen I Fall In Love “
D
er Film, aus dem dieser S tan -
dard stam m t, ist zum Glück
längst vergessen, handelt es sich
doch um ein
1952
uraufgeführtes
M ach w erk zum Koreakrieg. Der
Kom ponist Victor Young hatte zu-
nächst nur die M u sik geschrie-
ben, sp äter kam der Text von Ed-
ward Heym an hinzu. Schon wenn
man die M elodie allein hört, kann
man sich sehr gut vorstellen, dass
Nat King Cole der richtige Inter-
pret hierfür w ar - und tatsächlich
kreierte er einen Hit daraus.
Ob M iles Davis Nat King Cole ge-
hört hat und sich deshalb von dem
Lied angesprochen fühlte, weiß ich
nicht. Aber im selben Jahr
1956
wie
Cole ging auch er für den Song ins
Studio, in seinem Fall nach Ha-
ckensack zu Rudy van Gelder. Für
mich ist die CD „S te am in ’ W ith
The M iles Davis Q uintet“ (Presti-
ge) eines der Highlights unter sei-
nen früheren Aufnahm en. Zudem
ist hier die Besetzung großartig,
denn neben M iles Davis auf der
Trom pete agieren John Coltrane
(Tenorsaxofon), Red Garland (Kla-
vier), Paul Chambers (Bass) und
selbst besitze neben einer LP die
von van G elder rem asterte Fas-
sung, die sehr preisw ert, aber gut
ist.
Wenn Sie m ehr investieren
w ollen, kann ich Ihnen die V inyl-
version vom Label „Jazzwax“ im
Program m der In -A ku stik em p -
fehlen.
Im gleichen Jahr, auch w ie -
der bei Rudy van Gelder, spielte
der Altsaxofonist Jackie McLean
„W hen I Fall In Love“ ein. Einen
größeren Gegensatz zum vorhe-
rigen Beispiel könnte es kaum
von Les Brown, gesungen von Do-
ris Day, w ar nach
1945
ähnlich po-
pulär w ie zum Beispiel „In The
M o od“ von Glen M iller. Die Zahl
fünf steht übrigens für eine Erwei-
terung um den Trom peter Donald
Byrds, das Sextett wird kom plet-
tiert durch Hank M obley am Tenor-
saxofon. Auch diese Platte gehört
zu den wichtigen Veröffentlichun-
gen der
1950
er Jahre. W enn Sie
beim Versender JPC recherchieren,
finden Sie dort neun Editionen. Ich
selbst habe unter anderem die neu
Ihnen die CD „Insid e Out“ (ECM)
dringend ans Herz lege. Die Auf-
nahm en enstam m en einem Kon-
zertm itschnitt aus London vom Ju-
li
2000
, wo Keith Jarrett zusammen
m it seinen ständigen Begleitern
Gary Peacock (Bass) und Jack De-
Johnette (Schlagzeug) agiert. Bis
auf „W hen I Fall In Love“ stam -
men alle Kompositionen von Jarrett
selbst. W ie so oft bei ihm klingt
seine Version wie eine Liebeser-
klärung an die M elodie. Man spürt
förm lich, w ie er sich nach den oft
schnellen Tempi der vorangegan-
genen Stücke hier entspannt. Gary
Peacock hat ein großartiges So-
lo, während sich Jack DeJohnette
dabei zurückhält - aber was er im
Hintergrund beisteuert, ist gerade-
zu abenteuerlich.
Ich freue mich immer, wenn ich
Ihnen europäische und speziell
auch deutsche Jazzer em p feh -
len kann. Als ich vor einiger Zeit
„You’ll See“ hörte, das D ebütal-
bum des Anke Helfrich Trio (Dou-
ble M oon), kam die CD sofort auf
m eine Anw artsliste für eine Emp-
fehlung. Das Problem w ar nur,
K E IT H J A R R E T T
G A R Y P E A C O C K
J A C K D E J O H N E T T E
Miles Davis Quintet: Steamin’ With The
Miles Davis Quintet
Jackie McLean: 4, 5 and
6
Keith Jarrett: Inside Out
Anke Helfrich Trio feat. Mark Turner:
You’ll See
Philly Joe Jones (Schlagzeug). M i-
les stellt das Them a - w ie so oft -
m it der gestopften Trom pete vor,
w obei eine unendliche M elancho-
lie m itschw ingt, die mich im m er
w ieder tie f berührt. Red Garland
b egleitet ihn zurückhaltend, um
dann in sein Solo einzusteigen.
Coltrane pausiert hier, glänzt aber
bei anderen Titeln w ie dem in ra-
sendem Tempo gespielten „Salt
Peanuts“, einem Stück aus der
Bebop-Ära (hier spielt M iles ohne
Däm pfer). Diese Aufnahm e gehört
in jede Jazzsam m lung, und so ist
es nicht verw underlich, dass von
diesem Album sehr viele V eröf-
fentlichungen am M arkt sind. Ich
geben, denn McLeans S p ie lw ei-
se kommt von Charlie Parker her.
Auf der CD „
4
,
5
and
6
“ (Presti-
ge) signalisieren die drei Ziffern
die unterschiedlichen Besetzun-
gen. So spielt McLean drei Titel
im Q uartett, darunter auch „W hen
I Fall In Love“. In dieser Version
ist der Standard sehr tem poreich
und irgendwie verfrem det: Es ent-
steht der Eindruck, dass die Lie-
be vorbei zu sein scheint. Klavier
spielt hier M al W aldron, Doug W at-
kins den Bass und Arthur Taylor
das Schlagzeug. W itzig ist, dass
Jackie McLean die Platte m it „Sen-
tim ental Jouney“ beginnt. Dieses
Stück, gespielt von der Big Band
gem asterte von Analogue Produc-
tions, die erstklassig klingt. Auch
finde ich es ehrlich, dass man bei
dieser Super Audio CD nicht ver-
schweigt, dass die Aufnahmen m o-
noral sind. Dennoch ist es alles an-
dere als ein Zufall, dass beim Orgi-
nalalbum „HiFi“ draufsteht, denn
genauso klingt es.
Keith Jarrett könnte in Sachen
Standards eigentlich zu fast je -
der Ausgabe einen Beitrag leis-
ten. Ihn dennoch mal „pausieren“
zu lassen w ar lediglich der V ie l-
falt dieser Serie geschuldet. Bei
unserem Standard „W hen I Fall In
Love“ jedoch kann ich das nicht
m ehr durchhalten, weswegen ich
dass ich erst den passenden Stan-
dard abw arten m usste, schließ-
lich sind die M ehrzahl der S tü -
cke Eigenkom positionen. „When
I Fall In Love“ beschließt die CD
in beeindruckender W eise. Über-
haupt muss ich sagen, dass mich
Anke Helfrich (Klavier), Johannes
W eidenm üller (Bass), Jochen Rü-
ckert (Schlagzeug) und M ark Tur-
ner (Saxofon) sehr beeindruckt ha-
ben. Sie alle m usizieren auf sehr
hohem Niveau, so dass ich m ir die
weiteren zwei CDs der Leaderin so-
fort nach Erscheinen zugelegt ha-
be. Selten war ein Debüt so profes-
sionell wie „You’ll See“. Viel Spaß,
Ihr Thom as Hintze.
132 STEREO 6/2014
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